Warten

2021, Farbe, 7 Min., Dolby Surround

Wenn man lange genug wartet, ändert sich alles – ein sogenanntes zeitloses Sprichwort.

Ein weißer Warteraum, eine verchromte Bank mit schwarzen Plastiksitzflächen, eine geschlossene Tür, zwei verglaste Rahmen, die außer Spiegelungen nichts preisgeben – nur die Gewohnheit gebietet es, sie „Bild“ und „Uhr“ zu nennen. Man vernimmt entfernten Verkehrslärm und Stimmen, ein Ticken, Scheppern, Bremsen, vermutlich Stadtgeräusche.

Ist die erste Phase der Orientierung vorbei, lässt sich eine Bewegung im Bildausschnitt wahrnehmen, der Blick wird fast unmerklich weiter. Ein komprimierter Rückwärtszoom: Einzelbilder im Zeitraffer, über Monate hinweg. Die Irritation über Laub, Schnee, Dreck und Regenpfützen im Warteraum weicht der Erkenntnis, dass dieser ohne Dach und mit zwei offenen Seiten in freier Natur unter Bäumen steht.

Bernd Oppl ist ein Meister der Versuchsanordnung und Realitätsverschiebung. Er transformiert Räume oder schafft neue, denn er begreift Film auch als architektonische Kunst. Via Raummodell, Videoskulptur und Bewegtbild bringt er den Wirklichkeitssinn ins Wanken, ähnlich der kinetischen Schaukunst aus der Frühgeschichte der Kinematografie.

Auch Michael Snow denkt in seinem Jahrhundertwerk Wavelength „über die Essenz des Mediums und damit unvermeidlich auch der Realität nach“ (Amos Vogel), doch während Snows gedehnte Durchmessung des Raums zu einer Illusion hinführt (zu einer Fotografie des Ozeans), gibt Oppl sukzessive den Blick auf den Raum frei, der hier ein Modell ist – auch eines der Zeit. Ihr Verstreichen wird durch die einbrechende Natur angezeigt, wohingegen die verspiegelte Uhr ohne Ziffernblatt und Zeiger die Zeit Zeit sein lässt und dafür Reflexe des Außenraums einfängt.

Das Jahr 2020 hat dem Warten eine neue Dimension hinzugefügt. Wer genau beobachtet hat, dem wurde zumindest der Blick auf ein größeres Ganzes möglich. Dass sich letztlich, mit dem Warten, alles ändern möge, war nur der Hoffnung geschuldet. Warten basiert auf einer Installation Bernd Oppls aus dem Jahr 2018/19. Ihr Titel: No Future.

Regina Schlagnitweit