You Could Not Even Take a Picture

2021, Audioloop 3 Min., ROM player, Netzteil, Verstärker, Mikrowellensensor, Lichtorgel, Transducer, LED, MDF, Nylon, 36 x 36 x 46 cm

Ausstellungsansichten: Bernd Oppl Crossing Europe, Lentos Featured Artist 2021

Die Grenzen zwischen physischem und virtuellem Raum schienen im Laufe der Pandemie seit dem Frühjahr 2020 oftmals zu verschwimmen. Durch Homeoffice oder Online-Lehre verwandelte sich mancherorts das Zuhause zum Arbeitsplatz, das WG-Zimmer zum Seminarraum. Wer nicht gerade eine private Yacht oder gar ein Raumfahrzeug zur Verfügung hatte, war im Zweifelsfall auf die eigene Wohnsituation zurückgeworfen und manche Führungsposition dachte bald laut darüber nach, ob der physische Lern- oder Arbeitsplatz denn noch wirklich nötig sei. Das Kino gehört, ganz im Gegenteil zur Streamingbranche, sicherlich nicht zu den Gewinner*innen dieser Zeit. Ein physischer Raum (das Kino), der einzig dazu dient, einem virtuellen Raum (dem Film) den Weg zu ebnen, hat es schwer in der Pandemie. Auch diese Funktion sollten die eigenen vier Wände übernehmen, mit Hilfe von Laptop oder Handy.

Bernd Oppl gibt in YOU COULD NOT EVEN TAKE A PICTURE einem bestimmten Kino die Bühne. Durch einen Schacht sehen Betrachter*innen ins Innere eines Kastens auf eine Architektur, die nur für einige Momente erhellt wird. Auf den ersten Blick ist nicht viel auszumachen: Decke, Wände, Boden, Sitzbezüge – alles schwarz. Ein Raum, der scheinbar komplett verschwindet, um ausschließlich dem Raum des Films zu dienen. Das Konzept dieses „Unsichtbaren Kinos“ geht auf Gespräche zwischen Filmemacher Peter Kubelka und einigen Architekten Ende der 1950er Jahre zurück. Kubelka sah das Kino als Seh- und Hörmaschine, die als Mittler*in zwischen Regie und Publikum fungiert. Der Versuch, einen solchen Kinoraum in Wien zu realisieren, scheiterte vorerst, gelang aber 1970 in New York im neu gegründeten Anthology Film Archives mit Unterstützung des Filmemachers und Autors Jonas Mekas. Es ist seine Stimme, die Betrachter*innen hören, wenn sie in das Modell von Bernd Oppl schauen. Die flackernden Scheinwerfer, welche die Miniatur des Kinos kurzzeitig beleuchten, werden über die Amplituden der Stimmaufnahme gesteuert. Das Gespräch konnte Oppl bei einem Besuch in New York aufzeichnen, bevor Mekas 2019 verstarb. Er galt als Lichtgestalt der Filmkunst, hörte bis zu seinem Tod nie auf, selber Filme zu machen, über sie zu sprechen und zu schreiben.

Das „Invisible Cinema“ im ursprünglichen Zustand existierte nur vier Jahre.

Sogar die Notausgangsleuchten wurden damals im Anthology Film Archives verhangen. „You could only see the screen… you and the screen“, erzählt Jonas Mekas. Die Aussage mag manche*n mit Blick auf die vergangenen eineinhalb Jahre mit Schaudern an die eigene (nicht immer ganz freiwillige) Bildschirmzeit erinnern. Vor dem Hintergrund der prekären Kinolandschaft zeigt Oppls Arbeit aber vor allem den Möglichkeitsraum, der sich in einer solchen Architektur eröffnet.

Holger Jenss