Passage

2012, Farbe, 4 Min., Stumm

Mithilfe eines Raummodells wurden drei Videosequenzen gedreht: die erste Sequenz zeigt eine schwarze Fläche, die den Raum allmählich ganz verdeckt. Die zweite Sequenz zeigt einen Spiegel auf die Kamera zukommend – ähnlich Hitchcocks Zoomeffekt aus Vertigo. Die dritte Sequenz zeigt den gleichen Schacht verkehrt gedreht; ein Zoom, der den Raum allmählich auflöst. Das Ganze vollzieht sich immer und immer wieder. Die Bewegung des Bildes zwingt uns, den vorhandenen Raum anders wahrzunehmen, zwingt ihn gleichzeitig, auch wegen der filmischen Referenz, als narrative Grundlagen zu dienen.

Manfred Wiplinger

[…] Eine signifikante Variante, in der Oppl wiederum den Aspekt der Spaltung von Wahrnehmung aufgreift, allerdings ohne mit dem Videobild zugleich die produzierende Apparatur mit zu zeigen, ist die Arbeit Passage (2013). In dieser Arbeit geht Oppl zwar vom System eines in Realzeit verbundenen Kreislaufs ab, indem er Produktion und Präsentation voneinander trennt. Nichtsdestoweniger sind die filmischen Raumillusionen, um die sich die Arbeit Passage dreht, fragil und gebrochen. Wie in vielen seiner Arbeiten baut Oppl hier auf der filmischen Erfahrung des Betrachters auf. Aufgrund unserer Kino- und Fernseherfahrung wissen wir sehr genau, wie Kamerabewegungen im Film zu lesen sind und was sie im Kontext der jeweiligen Handlung bedeuten. In Passage geht Oppl vom so genannten Vertigo-Effekt aus, bei dem durch eine optische Täuschung ein Raum sogartig in Bewegung versetzt wird. Bei dieser Technik, die erstmals von Alfred Hitchcock eingesetzt wurde, um Höhenangst zu veranschaulichen, wird die Kamera gegenläufig zum Zoom bewegt. Der zentrale Moment besteht in der Subjektivierung des Raums. Der Raum wird gleichsam zu einem Teil des Protagonisten, er wird zur Verlängerung seines Körpers und seiner Psyche. Oppl fokussiert in Passage exakt diesen Moment, in dem der Raum in Bewegung gerät, die Phase, in der die Wahrnehmung nicht mehr unterscheiden kann, wer oder was sich bewegt, der Raum oder man selbst, wodurch eine eigenartige Relation zwischen Betrachter und Raum entsteht. Oppl verwendet dafür allerdings nicht die Vertigo-Technik, er setzt vielmehr eine Umkehrung ein: Statt die Kamera zu bewegen, bewegt er gleich den ganzen Raum, wofür er wiederum ein Miniaturmodell zur Anwendung bringt. Passage besteht aus drei Videosequenzen, in denen jeweils Bewegungen mit unterschiedlichen Raumelementen zunächst die Illusion erzeugen, als bewege sich die aufnehmende Kamera. Die Raumelemente – ein raumfüllendes, schwarzes Quadrat, ein Spiegel, eine Verdoppelung des Raums – vollziehen allerdings nicht nur eine Bewegung in eine Richtung – zunächst von der Kamera weg -, sondern auch wieder zu ihr hin. Spätestens mit der zweiten Bewegung bricht die Illusion teilweise ein. Alle drei Sequenzen deuten die Illusion von Kamerabewegung bewusst nur an, ohne sie wirklich einzulösen, aber auch ohne sie gänzlich aufzulösen. Passage schafft dadurch eine Art Schwebezustand, in der Illusion erzeugt, zugleich aber auch deren Produktionsweise bis zu einem gewissen Grad sichtbar ist. […]

Jürgen Tabor