Hotel Room

2012, Farbe, 6 Min., Stumm

Ein Doppelbett, frisch überzogen, zwei Nachtkästchen mit Leselampen, ein Kleiderschrank, ein Tisch mit einem Sessel davor. In Bernd Oppls Video Hotel Room sehen wir ein Hotelzimmer, das auf seine reine Funktionalität reduziert ist, frei von allen üblichen zusätzlichen ästhetischen und technischen Ausstattungen.
In Film und Literatur dienen ja Hotelzimmer bisweilen einer Romantisierung einer Existenz im Schwebezustand von Figuren im selbst gewählten dauerhaften Selbstfindungsprozess. Aber Hotelzimmer bleiben temporäre Aufenthaltsorte für die darin Abgestiegenen, sie mögen Geschichten von großen Dramen, wilden Romanzen und verbotener Liebe erzählen. Zumeist jedoch sind sie lediglich nüchterner Schauplatz ebenso nüchterner Alltagsereignisse, Zwischenstopp und anonymer Zufluchtsort in einem, vom Reinigungspersonal täglich in ihren Ursprungszustand zurückversetzt und von allen eventuellen Spuren einer vergangenen Nacht befreit.
In Hotel Room gefriert dieser flüchtige Zustand: Eine dicker werdende Eisschicht überzieht den schmucklosen Raum, den Fußboden, das Bett, die Möbel, schließlich die Wände. Wir erleben diese Metamorphose eines Raumes zuerst über die Details, das Eis, das sich an den Tischbeinen anlegt, die milchig-durchsichtige Schicht, die die weiße Tuchent bedeckt. Kristalle bilden sich, letzte Wassertropfen huschen als dunkle Linien über die Wände und schließlich erstarrt der gesamte Raum im Zustand einer Eishöhle.
Das Eis scheint aus den Gegenständen selbst herauszuquellen, die sporadischen Wassertropfen bewegen sich hingegen gegen die Schwerkraft, irgend etwas stimmt nicht mit unserer herkömmlichen Wahrnehmnung überein.
Alles, was wir in diesem im Zeitraffer und rückwärts beschleunigten Prozess des Gefrierens an Bewegung erkennen, dient eigentlich der zunehmenden Erstarrung, die Bewegung hin zur Bewegungslosigkeit also, zur endgültigen Konservierung.
Mit Hotel Room schließt Oppl an eine Reihe von Videoarbeiten an, in denen er Modelle von Zimmerfluchten oder Korridoren maßstabsgetreu nachbaut und als Ereignis-Räume seiner Versuchsanordnungen nutzt, die stets auf überraschende Wahrnehmungsirritationen abzielen.

Gerald Weber